Tiefbau vor Boom? Neue ifo-Zahlen zeigen deutlichen Aufwärtstrend

Der deutsche Tiefbau erlebt eine Trendwende. Neue Zahlen des ifo-Instituts zeigen eine steigende Auslastung – noch vor dem Start des Infrastrukturpakets. Der Hochbau hingegen bleibt weiter unter Druck.

Die Tiefbaubranche in Deutschland steht vor einer Phase stabiler Aufwärtsentwicklung. Das zeigt die aktuelle ifo-Umfrage, die für den März eine deutlich gestiegene Kapazitätsauslastung meldet. Noch bevor die zusätzlichen Investitionen aus dem beschlossenen Infrastrukturpaket wirksam werden, arbeiten viele Unternehmen bereits an der Belastungsgrenze. Nach Jahren der Zurückhaltung scheint sich der Trend nun umzukehren – mit positiven Aussichten für Unternehmen, die frühzeitig reagieren. Gleichzeitig treten die strukturellen Unterschiede zum Hochbau klarer denn je zutage.

Kapazitätsauslastung im Tiefbau nähert sich dem Langzeit-Hoch

Die Kapazitätsauslastung im deutschen Tiefbau hat im März 72,6 Prozent erreicht – ein klarer Anstieg gegenüber dem Februarwert von 70,1 Prozent. Damit liegt sie nur noch knapp unter dem langjährigen Mittel von 76,1 Prozent. Der Sektor bewegt sich damit wieder näher an das Niveau, das über Jahre als stabiler Referenzwert galt. Der aktuelle Aufschwung erfolgt vor dem Hintergrund konstanter Nachfrage – insbesondere durch Kommunen und öffentliche Infrastrukturträger.

Auffällig ist der Zeitpunkt: Der Zuwachs erfolgt noch vor der vollen Wirkung des beschlossenen Infrastrukturpakets. Das heißt, die Unternehmen arbeiten bereits jetzt unter erhöhter Last, obwohl die geplanten Milliardeninvestitionen erst in den kommenden Monaten den Markt erreichen werden. Die Einschätzung des ifo-Instituts, der Tiefbau bewege sich wieder im „oberen Drehzahlbereich“, erhält dadurch ein zusätzliches Gewicht – nicht als kurzfristiger Ausschlag, sondern als struktureller Trend.

Infrastrukturpaket als Treiber für weiteres Wachstu

Mit dem Infrastrukturpaket hat die Bundesregierung ein zentrales Signal an die Bauwirtschaft gesendet. In den kommenden zwölf Jahren sollen Milliarden in Straßen, Brücken und Versorgungsnetze fließen – eine Maßnahme, die nach Einschätzung des ifo-Instituts die Nachfrage im Tiefbau deutlich ankurbeln wird. Die Ökonomen rechnen damit, dass die Kapazitätsauslastung perspektivisch auf bis zu 80 Prozent steigen und damit das bisherige Maximum sogar überschreiten könnte. Für die Branche bedeutet das eine Phase anhaltender Auslastung – und für viele Unternehmen die Notwendigkeit, ihre Struktur und ihr Personal entsprechend anzupassen.

Allerdings mahnt das ifo-Institut zur realistischen Erwartung: Eine rasche Erweiterung der Kapazitäten sei im Tiefbau nicht ohne Weiteres umsetzbar. Investitionen in Maschinen, Personal und Organisation erfordern Zeit – und Planungssicherheit. Genau diese könnte der langfristige Förderzeitraum des Pakets bieten. Zwölf Jahre Perspektive schaffen einen verlässlichen Rahmen, in dem sich auch größere strategische Entscheidungen wirtschaftlich rechtfertigen lassen. Für viele Betriebe ist das eine seltene Gelegenheit, gezielt zu wachsen, ohne kurzfristige Marktschwankungen fürchten zu müssen.

Tiefbau gewinnt, Hochbau verliert – ein differenziertes Bild

Die aktuellen Zahlen des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie zeigen ein klares Ungleichgewicht: Während der Tiefbau zuletzt rund 41 Prozent zum Umsatz des Bauhauptgewerbes beitrug, entfielen 59 Prozent auf den Hochbau. Doch dieser Zahlenrahmen trügt über die Dynamik hinweg. Denn während der Tiefbau an Auslastung gewinnt, verliert der Hochbau weiter an Boden. Im März lag dessen Kapazitätsauslastung bei lediglich 62,1 Prozent – ein Wert, der deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 76 Prozent liegt.

Noch Anfang 2022 bewegten sich beide Sektoren nahezu im Gleichschritt mit Auslastungswerten um 80 Prozent. Seither hat sich die Schere deutlich geöffnet. Die Gründe dafür liegen vor allem im Hochbau selbst: Der stagnierende Wohnungsbau und steigende Baukosten haben die Nachfrage spürbar gedämpft. Im Vergleich dazu profitiert der Tiefbau stärker von öffentlichen Investitionen und infrastruktureller Grundnachfrage, was ihn krisenfester macht. Die Zahlen zeichnen somit kein einheitliches Bild für die Branche, sondern eine Entwicklung mit klaren Gewinnern und Verlierern.

Wohnungsbau bleibt Problemzone im Hochbau

Der Wohnungsbau bleibt die größte Schwachstelle im Hochbau – das bestätigt auch die aktuelle ifo-Umfrage. Zwar hat sich die Auftragslage im März leicht verbessert, doch die Erholung verläuft schleppend. Rund 54 Prozent der befragten Hochbauunternehmen gaben an, weiterhin unter Auftragsmangel zu leiden. Im Februar lag der Anteil mit 55 Prozent nur geringfügig darüber. Die Zahlen zeigen: Von einer echten Trendwende kann im Wohnungsbau keine Rede sein. Genehmigungszahlen steigen zwar, wirken sich aber noch nicht auf die Auslastung aus.

Ein strukturelles Problem bleibt die geringe Flexibilität zwischen den Segmenten. Maschinen und Fachkräfte lassen sich nicht ohne Weiteres vom Hochbau in den Tiefbau verlagern – zu unterschiedlich sind die Anforderungen und Spezialisierungen. Lediglich bei wenig komplexen Tätigkeiten wäre ein Übergang denkbar. Damit ist auch ein kurzfristiger Ausgleich der schwachen Hochbaukonjunktur durch den robusten Tiefbau kaum möglich. Die Spaltung zwischen beiden Bereichen dürfte sich daher in den kommenden Monaten weiter verstärken.

 

Quelle: ifo

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