Die Baustoffrecyclingbranche steht seit Jahren unter Druck: Obwohl der politische Wille zur Förderung der Kreislaufwirtschaft auf allen Ebenen betont wird, erschwert ein zentraler Punkt der Bundesgesetzgebung den tatsächlichen Einsatz von Recyclingbaustoffen. Insbesondere die Mantelverordnung sorgt für Frust in der Branche. Während der Bund zögert, geht Baden-Württemberg nun einen eigenständigen Weg.

Mantelverordnung 2023: Wie die Verordnung die Recyclingbranche belastet
Die Mantelverordnung sollte bundesweit einheitliche Standards für Recyclingbaustoffe schaffen. Stattdessen sorgen Bürokratie und regionale Unterschiede für Unsicherheit in der Branche, während die Nachfrage spürbar zurückgeht. Erste Anpassungen und Erleichterungen sind in Sicht – doch reicht das, um die Kreislaufwirtschaft nachhaltig voranzubringen?
Bundesrecht blockiert den Baustoffkreislauf
Mit der vor knapp zwei Jahren in Kraft getretenen Mantelverordnung wollte der Bund eigentlich klare Regeln für den Einsatz von Ersatzbaustoffen schaffen – insbesondere im Hinblick auf Boden- und Grundwasserschutz. Doch die Praxis sieht anders aus: Statt den Markt für Recyclingbaustoffe zu beleben, hat das Regelwerk zahlreiche Akteure ausgebremst. Der Grund dafür liegt tief im juristischen Detail: Nach geltendem Bundesrecht gelten selbst hochwertige aufbereitete Baustoffe weiterhin als Abfall – nicht als Produkt.
Diese Einordnung hat weitreichende Folgen: Bauherren scheuen sich, RC-Materialien in Ausschreibungen zu berücksichtigen, weil sie bei Verwendung von „Abfall“ rechtliche und haftungsbezogene Risiken fürchten. Das bremst nicht nur konkrete Bauprojekte mit nachhaltigem Anspruch aus, sondern schwächt auch das Marktpotenzial für die Recyclingbetriebe. Die Folge: Obwohl politisch gewollt, bleibt die Kreislaufwirtschaft im Bausektor weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Noch komplizierter wird es durch die Zuständigkeitsverteilung: Die Länder dürfen das Bundesrecht nicht einfach außer Kraft setzen. Dennoch versucht Baden-Württemberg, innerhalb dieses Rahmens Spielräume zu nutzen – und genau das könnte nun Bewegung in die festgefahrene Situation bringen.
Land erklärt RC-Materialien teilweise zu Produkten
Obwohl die Mantelverordnung bundeseinheitlich gelten soll, hat das Umweltministerium in Baden-Württemberg schon frühzeitig reagiert. Bereits beim Inkrafttreten der neuen Regelungen erließ das Land eine eigene Klarstellung: Recyclingbaustoffe der höchsten Güteklasse – also RC-1-Material – gelten nicht mehr als Abfall, wenn sie durch das Qualitätssicherungssystem Recycling-Baustoffe Baden-Württemberg (QRB) zertifiziert wurden. Dieser Schritt markierte eine wichtige Abweichung von der strengen Bundeslinie und sollte erste Anreize schaffen, hochwertige RC-Baustoffe in Bauprojekten einzusetzen.
Doch aus Sicht der Branche ging dieser Vorstoß nicht weit genug. Der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg (ISTE) forderte beim letztjährigen Baustoffrecyclingtag, dass auch weitere Materialklassen – darunter Bodenaushub, Gleisschotter und Ziegelbruch – als Produkte anerkannt und somit von der Abfalleigenschaft befreit werden. Umweltstaatssekretär Andre Baumann zeigte damals Verständnis für die Kritik, verwies aber auf die Verantwortung des Bundes.
Im April folgte dann ein weiterer Schritt: Das Umweltministerium veröffentlichte ein Schreiben, das die Abfallende-Regelung erweiterte. Künftig gelten nun auch Bodenmaterial der Klassen 0 und 0*, Gleisschotter der Klasse 0 sowie Ziegelmaterial nicht mehr als Abfall, sofern sie die entsprechenden Anforderungen erfüllen. Damit schafft das Land einen klareren rechtlichen Rahmen und eröffnet neue Perspektiven für den Einsatz dieser Stoffe in der Baupraxis – zumindest auf Landesebene und bis der Bund einheitliche Regelungen trifft.

Recycling: Aus Bauabfällen wird alles – außer Baustoff
Recycling im Bauwesen bietet enormes Potenzial, doch bürokratische Hürden und fehlende Infrastruktur blockieren Fortschritte. Statt in den Materialkreislauf zurückzukehren, landen Bauabfälle oft auf Deponien. Die Ersatzbaustoffverordnung hätte helfen können, doch die Realität sieht anders aus. Lösungen sind dringend gefragt.
Branche fordert mehr Tempo bei Abfallende-Regelung
Trotz der landesrechtlichen Erleichterungen ist die Stimmung in der Baustoffrecyclingbranche weiterhin angespannt. Die aktuelle Marktlage bleibt schwierig – nicht nur wegen der Mantelverordnung, sondern auch aufgrund der anhaltenden Krise im Bausektor. Investitionen stocken, Ausschreibungen bleiben aus, und selbst dort, wo gebaut wird, greifen viele Auftraggeber lieber auf konventionelle Materialien zurück. Der Einsatz von Recyclingbaustoffen stagniert – nicht zuletzt, weil diese nach wie vor mit Unsicherheiten und Vorurteilen behaftet sind.
Fachleute fordern daher eine konsequente Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen – insbesondere auf Bundesebene. Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, erstellt im Auftrag des Baustoffkonzerns Holcim, kommt zu dem Schluss: Für nahezu alle Materialklassen im Bausektor müssen klare Kriterien definiert werden, unter denen diese nicht mehr als Abfall gelten, sondern als marktfähige Sekundärrohstoffe. Nur so könne ein funktionierender, nachhaltiger Absatzmarkt entstehen.
Im politischen Raum bleibt die Umsetzung jedoch schleppend. Zwar enthält der Koalitionsvertrag der Bundesregierung das klare Ziel, eine Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung zu verankern – doch wann genau das geschehen wird, ist weiterhin offen. Baden-Württemberg hat nun vorgemacht, wie man auch ohne Bundesvorgabe handeln kann. Ob andere Bundesländer folgen – oder der Bund endlich nachzieht – wird entscheidend sein für die Zukunft der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen.