Die Rohstofffrage ist zurück auf der politischen Agenda – und mit ihr der Druck, nachhaltige Lösungen für Bau und Infrastruktur zu finden. In einem bemerkenswert abgestimmten Schritt haben sich gleich neun Branchenverbände zusammengeschlossen, um in einem gemeinsamen Positionspapier ihre Forderungen an die Bundesregierung zu formulieren. Im Zentrum: der Einsatz von Sekundärbaustoffen als Schlüssel für Ressourcenschonung und Klimaschutz. Doch was genau steckt hinter diesem Vorstoß? Und welche Änderungen im Regelwerk sollen das Fundament für eine zukunftsfähige Bauwirtschaft legen?
Sekundärbaustoffe als strategische Ressource: Potenzial & Hürden
Sekundärbaustoffe sind längst kein Nischenthema mehr: Mit rund 15 Prozent decken sie bereits heute einen erheblichen Teil des jährlichen Bedarfs von etwa 650 Millionen Tonnen Gesteinsrohstoffen in Deutschland. Dabei handelt es sich um Materialien aus Recyclingprozessen sowie industriellen Nebenprodukten, die beispielsweise aus der Metallurgie oder der thermischen Abfallbehandlung stammen. Ihr Einsatz trägt nicht nur zur Einsparung von Primärrohstoffen bei, sondern reduziert auch den CO₂-Ausstoß in der Bauwirtschaft erheblich – ein zentrales Ziel angesichts der Klimavorgaben der Bundesregierung.
Trotz dieses offensichtlichen Potenzials bleibt der Markt für Sekundärbaustoffe stark unterentwickelt. Ein wesentlicher Grund: veraltete und teils widersprüchliche Regelwerke. Die aktuelle Ersatzbaustoffverordnung, obwohl ein erster Schritt, reicht laut Branchenvertretern nicht aus, um den Stoffstrom rechtssicher und wirtschaftlich sinnvoll zu lenken. Hinzu kommt, dass öffentliche Ausschreibungen in der Regel nicht auf die Verwendung solcher Baustoffe ausgelegt sind. Gerade die öffentliche Hand – als größter Bauherr des Landes – könnte hier eine Vorreiterrolle übernehmen, tut es aber bislang kaum.
Neben der mangelnden rechtlichen Klarheit fehlt es häufig auch an einer einheitlichen Produktanerkennung. Was technisch längst machbar ist, scheitert oft an fehlenden Zertifizierungen oder bürokratischen Hürden. Damit wird ein volkswirtschaftlich wertvoller Rohstoff künstlich vom Markt ferngehalten – und das in einer Zeit, in der Lieferengpässe bei Primärmaterialien und steigende Preise die Branche ohnehin unter Druck setzen.

Vero legt nach: Neues Positionspapier fordert Kurswechsel in der Rohstoffstrategie
Ein Positionspapier mit politischer Sprengkraft: Der Verband der Bau- und Rohstoffindustrie fordert einen radikalen Kurswechsel in der Ressourcenpolitik. Vier klare Maßnahmen sollen den Weg weisen.
Das Positionspapier: Diese Forderungen stellen die neun Verbände
Neun führende Branchenverbände haben sich zusammengeschlossen, um mit einem klaren Positionspapier politischen Druck aufzubauen. Ihr gemeinsames Ziel: ein nachhaltiges Ressourcenmanagement mit klaren Spielregeln für den Einsatz von Sekundärbaustoffen. Das Papier richtet sich direkt an die neuen Bundesministerinnen und -minister für Bau, Verkehr, Umwelt und Wirtschaft – und benennt vier zentrale Hebel, an denen der Gesetzgeber ansetzen muss.
Im Zentrum steht die Novellierung der Ersatzbaustoffverordnung. Diese soll so angepasst werden, dass Sekundärmaterialien nicht länger pauschal als minderwertig gelten, sondern als vollwertige Baustoffe anerkannt werden. Eine klar definierte Produktanerkennung würde Investitionssicherheit schaffen und den Marktzugang erleichtern. Denn bisher erschweren vage oder nicht justiziable Formulierungen den flächendeckenden Einsatz – besonders bei öffentlichen Ausschreibungen.
Ein weiterer zentraler Punkt: die Integration von Sekundärmaterialien in Zement und Beton. Hier fordern die Verbände technologische Offenheit und regulatorische Anpassungen, damit das enorme CO₂-Einsparpotenzial dieser Kombination tatsächlich genutzt werden kann. Mit Blick auf das geplante Sondervermögen Infrastruktur – das Milliardeninvestitionen in Verkehrswege vorsieht – ist klar: Die Nachfrage nach Baustoffen wird weiter steigen. Ohne Sekundärbaustoffe droht eine Versorgungslücke.
Die Unterzeichner – darunter der BDE, bvse, BDG und weitere zentrale Akteure der Entsorgungs- und Bauwirtschaft – argumentieren, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich notwendig sind. Ein funktionierender Markt für Sekundärbaustoffe stärkt die Rohstoffsouveränität, reduziert Abhängigkeiten und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Jetzt sei der politische Wille gefragt, aus guten Absichten auch praktikable Gesetzgebung zu machen.
Das Positionspapier ist hier zu finden.
Quelle: FEhS – Institut für Baustoff-Forschung