Recyclingquote über 90 % – und trotzdem riesige Baustellen im System

Über 90 Prozent der Bauabfälle werden recycelt. Klingt beeindruckend, doch der Schein trügt. Einige Stoffgruppen bleiben ungenutzt, und die Emissionen sind hoch. Was der Bau wirklich braucht, ist ein radikales Umdenken in Richtung echter Kreislaufwirtschaft.

Rekordzahlen beim Bauschutt-Recycling wirken auf den ersten Blick wie ein echter Durchbruch für die Bauwirtschaft. Über 90 Prozent der mineralischen Bauabfälle werden mittlerweile wiederverwertet. Doch diese beeindruckende Zahl täuscht über große Unterschiede zwischen den Stoffgruppen hinweg. In der Praxis stößt das Recycling oft an technische, wirtschaftliche und rechtliche Grenzen. Die Kreislaufwirtschaft im Bau scheint erfolgreicher, als sie tatsächlich ist. Warum die hohe Recyclingquote nicht ausreicht und welche Herausforderungen hinter den Zahlen stehen, zeigt ein genauer Blick.

Zwischen Vorzeigewert und Problemstoffen: Wo Recycling wirklich funktioniert

Die Bauwirtschaft erreicht mit über 90 Prozent Recyclingquote bei mineralischen Bauabfällen einen Rekordwert. Doch die Bilanz täuscht: Während Straßenaufbruch zu 93 Prozent und Bauschutt zu über 80 Prozent recycelt werden, fallen andere Stoffgruppen deutlich zurück. Baustellenabfälle erreichen nur 2 Prozent, gipsbasierte Bauabfälle sogar gar keine Verwertungsquote.

2022 fielen laut Monitoring-Bericht der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau rund 207,9 Millionen Tonnen mineralische Bauabfälle an. Davon wurden 75,3 Millionen Tonnen zu Recycling-Baustoffen verarbeitet, die etwa 13 Prozent des Bedarfs an Gesteinskörnungen deckten. Die meisten davon werden im Straßen- und Erdbau eingesetzt, nur ein kleiner Teil findet den Weg in Asphalt oder Beton.

Die Zahlen zeigen Fortschritte, aber auch Defizite. Problematische Abfallarten, technologische Hürden und ein begrenzter Einsatzbereich der recycelten Materialien verhindern, dass das volle Potenzial ausgeschöpft wird.

Europas Bauwende: Circular Economy wird zum politischen Druckmittel

Der Bausektor ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen weltweit. Rund 37 Prozent aller Emissionen lassen sich direkt oder indirekt auf Bauaktivitäten zurückführen, allein die Zementproduktion trägt etwa 7 Prozent dazu bei. Die Bedeutung von Ressourcenschonung, Wiederverwendung und Recycling nimmt daher stetig zu – nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus politischen Gründen.

Die politischen Rahmenbedingungen verschieben sich spürbar in Richtung Circular Economy. Der EU-Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft und die geplante Reform der Bauprodukteverordnung setzen klare Ziele: Baustoffe sollen in Zukunft langlebiger, reparierbar und besser wiederverwendbar sein. Auch die Einführung verbindlicher Rezyklatanteile– also gesetzlicher Mindestquoten für den Einsatz recycelter Materialien – ist in Diskussion.

In Deutschland wurde 2023 die bundeseinheitliche Mantelverordnung eingeführt. Sie schafft erstmals klare Standards für die Herstellung und den Einsatz von Recycling-Baustoffen. Derzeit wird über eine Überarbeitung beraten, die bis Ende 2025 vorgelegt werden soll.

Die Botschaft ist eindeutig: Die Ressourcenbasis ist endlich, und der lineare Umgang mit Baustoffen hat ausgedient. Eine echte Kreislaufwirtschaft ist kein Ideal mehr, sondern politische Notwendigkeit.

Mehr retten, weniger reißen: Instandhaltung als Kreislaufmotor im Betonbau

Beton ist der weltweit am häufigsten eingesetzte Baustoff – und zugleich einer der umweltschädlichsten. Seine Produktion benötigt enorme Mengen an Primärrohstoffen und verursacht erhebliche CO₂-Emissionen. Gerade deshalb rückt die Instandhaltung bestehender Bauwerke immer stärker in den Fokus nachhaltiger Baukonzepte.

Die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e.V. (BGIB) betont: Wer Betonbauwerke erhält statt ersetzt, schont Ressourcen und vermeidet die klimaschädlichen Emissionen, die beim Neubau entstehen würden. Durch fachgerechte Sanierung lassen sich die Lebenszyklen von Bauwerken deutlich verlängern – ein oft unterschätzter Hebel der Circular Economy im Bausektor.

Während das Recycling vieler Baustoffe noch an Grenzen stößt, ist die Instandhaltung bereits heute wirksam, um Emissionen zu senken und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Sie wird damit zu einem zentralen Motor der Kreislaufwirtschaft.

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