Lärmschutzwall in Plochingen: Grüne Lösung für ein altes Problem

In Plochingen entsteht ein Lärmschutzwall, der nicht nur gegen Verkehrslärm hilft, sondern auch ökologisch punktet. Die Entscheidung fiel trotz fehlender Verpflichtung – und wirft spannende Fragen zur Stadtentwicklung auf.

In Plochingen tut sich etwas – und zwar nicht leise. Im Stadtteil Stumpenhof entsteht derzeit ein Lärmschutzwall, der nicht nur den Verkehrslärm eindämmen, sondern auch optisch und ökologisch überzeugen soll. Was zunächst nach einem gewöhnlichen Infrastrukturprojekt klingt, ist das Ergebnis jahrelanger Forderungen, politischer Debatten und mehrfacher Planänderungen. Warum die Stadt trotz fehlender Verpflichtung handelt, welche Rolle eine begrünte Wand dabei spielt und warum eine nachhaltige Energiequelle doch außen vor blieb – all das steckt hinter dem 470.000-Euro-Bauwerk.

Mehr als ein Jahrzehnt Lärm: Wie es zum Bau kam

Der Stumpenhof, ein hoch gelegener Stadtteil von Plochingen, ist seit Jahren durch den Verkehrslärm der Schorndorfer Straße stark belastet. Besonders die Anwohner der Hohenzollernstraße, die parallel zur Hauptverkehrsachse wohnen, machten ihrem Unmut immer wieder Luft. Bereits vor über zehn Jahren forderten sie Lärmschutzmaßnahmen – unterstützt durch politische Initiativen, insbesondere von der SPD. Diese brachte gleich zweimal einen Haushaltsantrag zur Umsetzung entsprechender Maßnahmen ein.

2016 wurde ein Ingenieurbüro beauftragt, die tatsächliche Lärmbelastung zu ermitteln. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Werte lagen deutlich über den Orientierungswerten für Wohngebiete. Allerdings wurden die Schwellenwerte, ab denen die Stadt rechtlich zu baulichen Maßnahmen verpflichtet wäre, nicht überschritten. Dennoch entschied sich der Gemeinderat im Juli 2022 dazu, aktiv zu werden – freiwillig, aber mit klarem politischem Signal.

Seit dem 10. März 2025 ist der Bau des Lärmschutzwalls nun in vollem Gange. Eine Fahrspur musste gesperrt werden, was zu Verkehrsverlagerungen führte. Besonders betroffen: genau die Anwohner, die später von der Maßnahme profitieren sollen. Der Umleitungsverkehr wird aktuell durch die Hohenzollernstraße und den Talweg geführt – Bereiche, die zusätzlich von Schulkindern frequentiert werden. Um die Sicherheit zu erhöhen, hat die Stadt deshalb eine temporäre Fußgängerampel installiert. Trotz der aktuellen Belastungen ist die Maßnahme ein wichtiger Schritt, um das Wohnumfeld langfristig zu entlasten.

Der grüne Lärmschutzwall: Aufbau, Funktion und Herausforderungen

Der neue Lärmschutzwall in Plochingen ist mehr als ein rein funktionales Bauwerk – er steht für ein Umdenken in der städtischen Infrastrukturplanung. Mit einer Bauzeit von rund drei Monaten und einem Budget von etwa 470.000 Euro entsteht eine Konstruktion, die Lärmschutz und Begrünung intelligent verbindet. Zwischen der Einmündung des Talwegs und dem Teckplatz wird die Wand errichtet – mit einer Höhe von etwa 2,8 Metern, gemessen von der Fahrbahn aus.

Zunächst waren ganz andere Varianten im Gespräch. Die ursprünglichen Entwürfe sahen eine klassische Element-Lärmschutzwand vor, die allerdings den Erwerb privater Grundstücke erforderlich gemacht hätte. Um Konflikte und Kosten zu vermeiden, beschloss man schließlich, den Wall vollständig auf städtischem Grund zu errichten. Nach mehreren Planungsrunden entschied sich der Gemeinderat – erneut auf Antrag der SPD – für eine begrünte Variante.

Die gewählte Bauweise kombiniert Gabionen mit Substrat-Füllungen. Die Drahtkörbe werden mit tragfähigem Material gefüllt und anschließend mit Pflanzen wie Efeu, wildem Wein oder Rasen begrünt. Das Ergebnis ist eine vertikale Grünfläche, die nicht nur Schall absorbiert, sondern auch Feinstaub bindet und CO₂ reduziert. Der obere Abschnitt des Bauwerks, in Richtung Teckplatz, geht in einen klassischen Lärmschutzwall über.

Trotz aller Vorteile gab es auch Bedenken. Ein ähnliches Projekt nahe der Bahnlinie beim Bruckenwasen zeigte Schwächen: Dort platzt teilweise das Gewebe auf, und das Füllmaterial rieselt heraus. Auch die Pflegeintensität wurde kritisiert. Allerdings versprechen neue Modelle deutlich höhere Langlebigkeit – mit Lebensdauern von bis zu 60 Jahren, vergleichbar mit klassischen Gabionenwänden. Ob der neue grüne Lärmschutzwall in Plochingen diese Erwartungen erfüllen kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Kein Solarstrom am Lärmschutzwall – Entscheidung gegen Photovoltaik

In Zeiten der Energiewende liegt es nahe, städtische Bauprojekte mit Photovoltaik-Technologie zu kombinieren. Auch beim neuen Lärmschutzwall in Plochingen wurde diese Option ernsthaft geprüft. Ziel war es, die große Wandfläche nicht nur als Schallschutz, sondern auch als Energiequelle zu nutzen. Doch schnell zeigte sich: Die Vision ließ sich wirtschaftlich nicht sinnvoll umsetzen.

Der damalige Energiemanager der Stadt kalkulierte die Kosten für die Integration von Solarmodulen auf 60.000 bis 85.000 Euro – ein erheblicher Mehraufwand bei einem ohnehin ambitionierten Gesamtbudget. Doch nicht nur die Investitionskosten machten dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Vor allem das Fehlen eines direkten Stromverbrauchs an Ort und Stelle stellte ein Problem dar. Der erzeugte Strom hätte nicht vor Ort genutzt, sondern ausschließlich ins Netz eingespeist werden müssen.

Eine Speicherung vor Ort – etwa durch Akkusysteme – hätte zusätzliche Kosten verursacht, die das Projekt endgültig unwirtschaftlich machten. Unter dem Strich entschied sich der Gemeinderat daher gegen die Umsetzung. Statt Photovoltaik setzt man nun vollständig auf die ökologische Wirkung der begrünten Wand: ein Bauwerk, das Schall, CO₂ und Feinstaub gleichermaßen reduziert – auch ohne Stromproduktion.

An anderer Stelle, am unteren Abschnitt der Schorndorfer Straße, zeigt sich, dass es auch einfachere Mittel zur Lärmminderung gibt. Dort wurde kürzlich ein Tempolimit von 40 km/h zwischen der Neckarstraße und der Beethovenstraße eingeführt – eine kostengünstige Maßnahme, die bereits Wirkung zeigt. Sie verdeutlicht, dass Lärmschutz auf viele Arten gedacht werden kann – und der Lärmschutzwall in Stumpenhof ist nur ein Baustein im Gesamtkonzept.

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