In Sachen Digitalisierung schreiten aktuell viele Anbieter der Branche in großen Schritten voran. Bei immer mehr Unternehmen kommen papierlose Dokumente und digitale Prozesse zum Einsatz. Sogar die Verwaltung zieht mit. Diverse Anträge können in manchen Landkreisen bereits jetzt digital eingereicht werden. Wie auch in den anderen Branchen zuvor, ist dies der Zeitpunkt, an dem sich Plattformen auf den Markt drängen, um mitzumischen. Bereits jetzt gibt es mehrere Entsorgungsplattformen. Besonders große Wellen schlägt dabei vor allem ein Startup aus Gütersloh – die Schüttflix GmbH.
Schüttflix mit großen Plänen
Schüttflix hat große Ziele und die gesamte Schüttgutlogistik der Baubranche im Visier. Das Unternehmen bewirbt seine eigens entwickelte App, mit der gewerbliche Kunden Schüttgüter bestellen und bezahlen können. Mitte 2022 möchte Schüttflix gen Osten expandieren. Polen, Tschechien und Österreich stehen auf dem Plan. Dazu möchte Schüttflix zum Ende des Jahres in die Entsorgung einsteigen. Wir haben das aktuelle Konzept von Schüttflix und anderen Anbietern etwas genauer unter die Lupe genommen.
Schüttflix – Wachstum um jeden Preis
Schüttflix möchte nach der Expansion nach Osteuropa nun auch in die Entsorgung mineralischer Abfälle. Damit drückt das Startup aus Gütersloh auf einen hart umkämpften Verkäufermarkt.
Zwei alte Konzepte und ein neuer Markt
Was von Schüttflix als revolutionär verkauft wird, machen Curanto, Ecoservice24 und andere Entsorgungsplattformen bereits seit Jahren. Die meisten Entsorgungsplattformen waren bisher allerdings im Bereich von haushaltsüblichen Mengen angesiedelt – überwiegend in der Entsorgung per Container. Das Konzept: Sie übernehmen die Auftragsabwicklung für lokale Anbieter, die hinsichtlich Digitalisierung noch am Anfang stehen. Der Kunde kann über deren Plattform digital und unkompliziert Container für die Entsorgung des gewünschten Abfalls bestellen. Egal ob Schnittgut, Holz, Erde oder Abbruch. Die jeweilige Entsorgungsplattform leitet die Bestellung zu einem niedrigeren Preis oder gegen eine Provision an den lokalen Anbieter weiter. Die Differenz verbucht die Plattform als Ertrag. Der Kunde spart dabei vor allem Zeit bei der Suche nach Anbietern und in der Bestellabwicklung. Besonders für Privatkunden mit einmaligen Bestellungen und Kleinmengen ist dies für alle Beteiligten ein gutes Geschäft. Gewerbliche Kunden, die große Mengen entsorgen, haben meist Einkäufer, die ihre Lieferanten kennen und entsprechend Konditionen verhandeln. Plattformen für die Entsorgung von Erdaushub oder Bauschutt in Großmengen gab es bisher nicht. Vielleicht nicht ohne Grund. Denn die Abwicklung ist deutlich aufwendiger als bei Containern und somit auch die Kosten für die Auftragsabwicklung. Bei Kleinmengen ist das nicht rentabel und bei größeren Mengen lohnt es sich, einen Einkäufer damit zu beschäftigen. Die Kundschaft für eine Versorgungs- und Entsorgungsplattform dürfte daher sehr eingeschränkt sein. Doch zwei Anbieter sind angetreten, um das Gegenteil zu beweisen. Sie haben in den letzten Monaten mehrfach ihr Angebot als Plattform mineralischer Abfälle in großen Mengen beworben – Schüttflix und Mineral Minds. Wohingegen Mineral Minds dem Anschein nach die Idee als Entsorgungsplattform aufzutreten mehr und mehr vernachlässigt, steht beim Anbieter Schüttflix der „Showdown“, nämlich der Markteintritt und der damit verbundene „Proof Of Concept“, noch bevor.
Schüttflix: altes Konzept neu verpackt
Schüttflix hat am Grundkonzept gegenüber den Containerdienstplattformen nicht viel geändert. Lediglich die Bestellung kann nun statt über eine Webseite per MobileApp stattfinden und die Zielgruppe sind Gewerbetreibende statt Privatkunden. Genau in diesen beiden Punkten dürfte sich Schüttflix jedoch schwer tun. Zum einen bieten bereits andere Anbieter die Bestellung und Bezahlung per WebApp an, der Sprung zur MobileApp ist somit nur eine Frage der Zeit. Zum anderen sind es eben die Gewerbetreibenden, die mit den umliegenden Steinbrüchen jährlich oder bei Großprojekten individuelle Sonderkonditionen verhandeln und dazwischen keinen Drittanbieter haben möchten. Schüttflix versucht im Grunde im Bereich Schüttgüter das, was Amazon seit 4 Jahren im Bereich Verbrauchsgüter nur sehr schleppend schafft. Firmenkunden dazu bewegen Großmengen über eine Plattform zu bestellen. Der Aufwand einen Preis zu verhandeln oder eine Bestellung aufzugeben ist von der Bestellmenge unabhängig. Gerade bei großen Mengen ist der Preis pro Einheit daher nur unwesentlich höher, wenn ein Einkäufer mit der Preisverhandlung oder der Bestellung etwas Zeit verbringt. Im Gegenteil, der Einkäufer kann so ein maßgeschneidertes Angebot bekommen. Außerdem stecken hinter großen Mengen meist auch große Projekte und eventuelle Haftungsansprüche. Umso wichtiger ist es, dass das Vertragswerk zugeschnitten und rechtssicher ist. Wenn die Bestellung über einen Anbieter wie Schüttflix läuft, gelten deren standardisierte Geschäftsbedingungen. Privatkunden schließt Schüttflix von der Nutzung der MobileApp bewusst aus. Doch gerade diese würden gerne über die MobileApp bestellen und hinterlassen verärgert schlechte Bewertungen im Playstore oder AppStore, wenn sie feststellen, dass die App nur für die Nutzung durch Gewerbetreibende gedacht ist. Und auch einige Anbieter sind nicht gerade gut auf Schüttflix zu sprechen. Die Anbieter im Bereich Transport mögen dem Startup größtenteils positiv gegenüberstehen. Der Transport von Schüttgütern ist ein Tagesgeschäft. Die Anbieter können von solchen Plattformen profitieren, indem sie Rückfrachten bekommen oder Auftragslücken schließen. Viele Schüttgutanbieter, aber vor allem Entsorger zögern jedoch bei der Zusammenarbeit mit Schüttflix oder lehnen dies gänzlich ab. Schüttflix versucht unterdessen unbeirrt mit einer großen Kapitalflut und viel Marketing den Markt zu durchdringen und Marktanteile für sich zu sichern. Kalender, Hoodies, Tassen und Meterstäbe … alles gibt es im Schüttflix Shop zu kaufen. Auf Instagram und Facebook werden Clips und Bilder von der Baustelle geteilt, die wirken als würde die Baustelle das Fitnessstudio in Sachen Lifestyle bald ablösen. Es scheint, dass das Jungunternehmen einen beachtlichen Anteil des Risikokapitals in Marketing investiert. Um das Unternehmen bekannt zu machen und Akzeptanz in der überwiegend von Männern dominierten Branche zu finden, hat die Marketingabteilung sich etwas stigmatisierend eines Erotikkalenders bedient, wie man ihn von einigen Werkzeugherstellern kennt. Das Motiv: Sophia Thomalla – die Markenbotschafterin von Schüttflix. Für die Expansion nach Osteuropa hat Schüttflix Lukas Podolski angeheuert. Der Profifußballer mit polnischen Wurzeln soll Schüttflix dort bekannt machen. Gemeinsam posen Podolski und Thomalla auf dem Instagram-Profil von Schüttflix. Mit fast 600 Beiträgen hat es das Unternehmen auf knapp über 10.000 Follower gebracht. Das scheint auf den ersten Blick wenig, wenn man dies mit den Followerzahlen von Hobbybloggern oder Ernährungsberatern auf den sozialen Medien vergleicht, die mit ein paar Bildern aus dem Fitnessstudio oder Ernährungstipps ein Vielfaches davon erreichen. Doch die Baubranche funktioniert anders und die Branche ist noch nicht wirklich auf Social Media angekommen. Deshalb ist der Aufwand deutlich größer, um gleiche Ergebnisse zu erzielen. Es bedarf umso mehr Marketing und Kapital, um online an Bekanntheit zu gewinnen. Ob die Strategie aufgeht und ob das Unternehmen die Strategie fortsetzen kann, wird sich zeigen. Sicher ist jedoch, dass die Digitalisierung der Entsorgungsbranche gleich der anderen Branchen ablaufen wird. Mit zunehmenden Marktteilnehmern werden die Preise fallen und eine Marktbereinigung einsetzen. Wer dann mit hohen Ausgaben oder der Bedienung von Forderungen nach Dividenden zu kämpfen hat, wird über kurz oder lang den Hut nehmen. Wird sich zeigen, wer am Ende den Markt dominiert. Aktuell sind beide eher mit einem Fragezeichen einzustufen.
Schüttflix – jetzt auch Entsorgung?
Schüttflix möchte nach der Expansion nach Osteuropa nun auch in die Entsorgung mineralischer Abfälle. Damit drückt das Startup aus Gütersloh auf einen hart umkämpften Verkäufermarkt.
Mineral Minds: das MyHammer-Konzept als Entsorgungsplattform
Mineral Minds hat ein über 20 Jahre altes Konzept von MyHammer aufgegriffen und versucht damit als Entsorgungsplattform durchzustarten. Das Startup aus dem Schwäbischen nimmt die Anfrage zur Entsorgung mineralischer Abfälle von Abfallerzeugern an und publiziert diese anonymisiert mit einem Wunschpreis auf der eigenen Webseite. Die Anfrage wird dann über eine Rundmail gewissen Firmen aus der Entsorgungsbranche per E-Mail zugespielt. Diese können die jeweiligen Unterlagen zum Auftrag (z. B. Deklarationsanalyse) auf der Webseite von MineralMinds anschauen und einen Preis abgeben. Der Grundgedanke von Mineral Minds war, dass sich die Entsorger gegenseitig unterbieten sollen und die Plattform so für den Kunden den besten Preis erzielt. Angefangen mit der Entsorgung von mineralischen Abfällen hat Mineral Minds kurze Zeit später auch die Lieferung von Schüttgütern angeboten. Das dynamische Startup aus Stuttgart ist im Vergleich zu Schüttflix übrigens genau die andere Richtung gegangen. Circa 2 Jahre nach dem Markteintritt hat Mineral Minds dann unter dem Namen „Stoffstrom as a Service“ versucht Fuß zu fassen und für seine Kunden die Entsorgung als Dienstleistung angeboten. Nach unserer Recherche befinden sich mittlerweile nur noch wenige Angebote auf der Webseite, die eigentlich als Plattform für das Zusammenführen von Angebot und Nachfrage im Bereich Entsorgung dienen sollte. Das Unternehmen hat aktuell auf der eigenen Webseite 22 Stellenangebote ausgeschrieben. Davon 2 im Bereich IT, 10 im Bereich Vertrieb, 4 im Marketing und 6 in der Rubrik Organisation. Dem Anschein nach geht der Trend bei Mineral Minds weg von der Entsorgungsplattform, hin zum normalen Entsorgungsbetrieb für Erdaushub. Seit Firmengründung scheint sich das Unternehmen somit von der ursprünglichen Idee als Entsorgungsplattform aufzutreten, zunehmend abzuwenden. Es scheint, als wenn Mineral Minds seinen Platz am Markt noch finden muss. Eines steht jedenfalls fest: das junge Unternehmen aus dem süddeutschen Raum ist flexibel und kann sich schnell verändern. Anders sieht es da bei Schüttflix aus.