Die neue Regelung zur Gefahrstoffverordnung sorgt für heftige Diskussionen: Während Asbest weiterhin eine der größten Gesundheitsgefahren auf Baustellen bleibt, bleibt die Verantwortung für die Erkundung in den Händen der Handwerksbetriebe. Bauherren hingegen werden aus der Pflicht entlassen – ein Schritt, der von Experten und Branchenvertretern scharf kritisiert wird.
Schutz vor Asbest: Was die neue Verordnung ändert
Das Bundeskabinett hat kürzlich eine überarbeitete Gefahrstoffverordnung verabschiedet, die den Umgang mit Asbest in Bestandsgebäuden regelt. Ein zentraler Punkt, der seit Langem in der Diskussion stand, wurde dabei jedoch nicht berücksichtigt: die Einführung einer Erkundungspflicht für Bauherren.
Die Novelle verpflichtet Bauherren lediglich dazu, dem ausführenden Unternehmen alle verfügbaren Informationen zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Gebäudes bereitzustellen. Dazu zählen Angaben zu bekannten oder vermuteten Gefahrstoffen wie Asbest. Eine aktive Untersuchungspflicht bleibt jedoch aus. Diese Entscheidung stößt auf scharfe Kritik, insbesondere aus dem Baugewerbe. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), bezeichnet dies als „realitätsfern“ und ein „absolutes No-Go“.
Pakleppa betont, dass das Fehlen einer klaren Regelung die Verantwortung auf Handwerker abwälzt, die oft nur begrenzte Möglichkeiten haben, Asbestbelastungen sicher zu erkennen. Dies erhöht nicht nur das Gesundheitsrisiko, sondern erschwert auch die Planung und Durchführung von Sanierungsprojekten erheblich.
Während die Bundesregierung signalisiert hat, eine Evaluierung der Verordnung in Betracht zu ziehen, bleibt der Schutz der Handwerker einstweilen ein offener Punkt. Die neuen Regelungen treten noch in diesem Jahr in Kraft – ohne die von vielen Seiten geforderte Erkundungspflicht.
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Verantwortung für Asbestrisiken: Wer trägt sie wirklich?
Die Abkehr von einer Erkundungspflicht für Bauherren hat eine kontroverse Debatte ausgelöst. Branchenvertreter sehen in der neuen Regelung eine massive Verlagerung der Verantwortung auf die Handwerksbetriebe. Diese müssen künftig selbst sicherstellen, dass keine Gefahrstoffe wie Asbest in den von ihnen bearbeiteten Gebäuden vorhanden sind.
Mathias Bucksteeg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Farbe Gestaltung Bautenschutz, spricht von einem „bürokratischen Irrsinn“. Er kritisiert, dass jedes Gewerk auf einer Baustelle nun eigene Asbestproben entnehmen müsse, selbst wenn mehrere Betriebe am gleichen Objekt arbeiten. Dies bedeutet nicht nur doppelte Arbeit, sondern auch zusätzliche Kosten, die vom Bauherrn zu tragen sind.
Diese Regelung geht nach Ansicht vieler Experten zu Lasten des Gesundheitsschutzes. Felix Pakleppa vom ZDB prognostiziert, dass die Verlagerung der Erkundungspflicht zu Nachtragsforderungen, Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sowie Verzögerungen bei Bauprojekten führen wird. Obwohl die Kosten für Asbestproben letztlich beim Bauherrn verbleiben, bleibt die eigentliche Verantwortung unklar geregelt.
Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die Bundesregierung die bisherigen Daten zu asbestbedingten Berufskrankheiten und Todesfällen evaluieren soll. Auf Basis dieser Auswertung könnten zukünftig weitergehende Vorschriften geprüft werden. Bis dahin jedoch sind die Handwerksbetriebe auf sich allein gestellt, wenn es um die Erkennung von Asbestrisiken geht.
Asbestproben: Herausforderungen für Handwerksbetriebe
Die neue Gefahrstoffverordnung verlangt, dass Handwerksbetriebe künftig selbst Proben auf Asbest nehmen, bevor sie ihre Arbeiten beginnen. Diese Entscheidung sorgt in der Branche für erheblichen Unmut, da sie die praktische Umsetzung von Bauprojekten deutlich erschwert. Jedes einzelne Gewerk – sei es Maler, Trockenbauer oder Elektriker – muss nun unabhängig voneinander überprüfen, ob die Baustelle asbestbelastet ist.
Diese Vorgabe stellt die Betriebe nicht nur vor organisatorische Herausforderungen, sondern birgt auch das Risiko von Verzögerungen und Missverständnissen. „Wir sind wütend“, fasst Mathias Bucksteeg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Farbe Gestaltung Bautenschutz, die Stimmung in der Branche zusammen. Seiner Meinung nach missachtet die Bundesregierung die Ergebnisse des Nationalen Asbestdialogs, der über drei Jahre hinweg Empfehlungen von Experten und Verbänden gesammelt hatte.
Zusätzlich zur erhöhten Arbeitsbelastung führt die Regelung zu Mehrkosten, die laut Verordnung vom Bauherrn getragen werden müssen. In der Praxis jedoch bleibt unklar, wie diese Regelung durchgesetzt wird und welche Standards für die Asbestproben gelten sollen. Die Bauwirtschaft kritisiert, dass ein einheitlicher und praxistauglicher Rahmen fehlt, um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten sicherzustellen.
Für die Handwerksbetriebe bedeutet dies nicht nur zusätzlichen Aufwand, sondern auch rechtliche Unsicherheiten. Sollte ein Betrieb Asbest übersehen, könnten langfristig gesundheitliche Folgen für die Beschäftigten entstehen, für die letztlich die Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden könnten. Diese Unklarheit belastet sowohl die Betriebe als auch die gesamte Bauwirtschaft.
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Gesundheitsgefahr durch Asbest: Die alarmierende Statistik
Asbest ist längst als gefährlicher Gefahrstoff bekannt, doch die neuen Regelungen werfen erneut ein Schlaglicht auf die dramatischen gesundheitlichen Folgen. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) berichtet, dass allein in den letzten zehn Jahren 3.376 Versicherte an asbestbedingten Berufskrankheiten gestorben sind. Im Jahr 2022 wurden 320 Todesfälle verzeichnet – ein erschreckendes Zeugnis der tödlichen Risiken, die von Asbest ausgehen.
Das Problem liegt in der spezifischen Gefährlichkeit von Asbest: Solange das Material in alten Gebäuden intakt ist, stellt es keine direkte Gefahr dar. Doch bei Sanierungsarbeiten, etwa beim Bohren, Schleifen oder Abtragen alter Baumaterialien, werden Asbestfasern freigesetzt. Diese unsichtbaren Partikel können in die Atemwege gelangen und schwere Erkrankungen wie Asbestose, Lungenkrebs oder Mesotheliome auslösen.
Insbesondere Gebäude, die vor dem Asbestverbot von 1993 erbaut wurden, bergen ein hohes Risiko. Die BG Bau warnt, dass die neuen Regelungen der Gefahrstoffverordnung die Situation verschärfen könnten. Da den Handwerksbetrieben häufig wichtige Informationen über potenzielle Schadstoffe fehlen, steigt das Risiko, dass Asbest zu spät oder gar nicht erkannt wird.
Bernhard Arenz, Leiter der Hauptabteilung Prävention bei der BG Bau, betont, wie entscheidend eine klare Verantwortungsregelung wäre: „Ohne eine aktive Mitwirkungspflicht der Bauherren ist zu befürchten, dass die Gesundheit der Beschäftigten auf dem Spiel steht.“ Solange keine Erkundungspflicht eingeführt wird, bleibt Asbest eine unterschätzte Gefahr, deren Folgen sich erst Jahre später in den Statistiken der Berufskrankheiten zeigen.