Lange Zeit galt Ausbauasphalt als klarer Fall für die Entsorgung – doch diese Sichtweise könnte sich bald grundlegend ändern. Eine gemeinsame Pressemitteilung der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen (BVMB) und des Verbands der Bau- und Rohstoffindustrie (vero) bringt neue Dynamik in die Diskussion. Ein beauftragtes Rechtsgutachten stellt die Weichen für einen Perspektivwechsel im Straßenbau. Die Frage, ob das beim Ausbau gewonnene Material wirklich zwingend als Abfall gelten muss, bekommt damit neue Brisanz.
Hintergrund: Ausbauasphalt im rechtlichen Wandel
Ausbauasphalt, also das Material, das beim Rückbau von Straßen anfällt, wurde in der Praxis bislang fast durchgehend als Abfall behandelt. Diese pauschale Einstufung bedeutete in vielen Fällen: Deponierung statt Wiederverwertung. Für Straßenbauunternehmen brachte das nicht nur ökologische Zielkonflikte, sondern auch wirtschaftliche Nachteile. Dass dies kein zwingender rechtlicher Automatismus sein muss, zeigt nun ein von BVMB und vero in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das neue Wege für die Behandlung von Ausbauasphalt aufzeigt.
Angestoßen wurde die Neubewertung durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17. November 2022 (Az. C-238/21). Damals ging es um die Einstufung von Bodenaushub – der EuGH stellte fest, dass dieser unter bestimmten Bedingungen nicht als Abfall, sondern als „Nebenprodukt“ gelten kann. Diese Argumentation war für die Verbände Anlass, auch beim Ausbauasphalt eine Neubetrachtung anzustoßen. Die Ausgangslage sei vergleichbar, so die Argumentation: Wenn das Material qualitätsgesichert und weiterverwendbar ist, müsse es nicht zwangsläufig als Abfall klassifiziert werden.
Diese Einschätzung wurde durch das Rechtsgutachten nun bestätigt – mit potenziell weitreichenden Folgen für das Recycling im Straßenbau.

WIMACO Beton: Hochschulprojekt zeigt den Weg zu 100 % Recycling
Das Hochschulprojekt WIMACO Beton der Hochschule München erforscht, wie sich mineralische Abbruchmaterialien zu 100 % recyceln lassen. Am Münchner Bürogebäude „Elementum“ wird untersucht, wie selektiver Rückbau CO₂-Emissionen senken und Baumaterial wieder nutzbar machen kann – ein wegweisender Ansatz für nachhaltiges Bauen.
Was sagt das Rechtsgutachten? Neue Einstufung als Nebenprodukt
Das von BVMB und vero in Auftrag gegebene Rechtsgutachten kommt zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Ausbauasphalt der Verwertungsklasse A kann rechtlich als Nebenprodukt eingestuft werden – vorausgesetzt, bestimmte Bedingungen werden erfüllt. Dazu gehört, dass das Material vor dem Ausbau qualitätsgeprüft wird und seine spätere Verwendung nachvollziehbar dokumentiert ist.
Im Gegensatz zur bisherigen Praxis, bei der Ausbauasphalt fast automatisch als Abfall galt, ermöglicht diese Einschätzung nun mehr Flexibilität in der Wiederverwertung. Auch eine Zwischenlagerung steht der Nebenprodukteinstufung laut Gutachten nicht im Weg.
Für Asphalt der Verwertungsklassen B und C bleibt hingegen der Abfallstatus bestehen – hier ist höchstens eine eingeschränkte Nutzung als Deponieersatzbaustoff oder im Kaltmischverfahren denkbar.
Ökologische und wirtschaftliche Chancen durch Recycling
Die neue rechtliche Bewertung von Ausbauasphalt eröffnet nicht nur Spielräume im Baurecht, sondern auch handfeste Vorteile für Umwelt und Wirtschaft. Laut BVMB und vero kann eine höhere Wiederverwendungsquote von Ausbauasphalt zu einer deutlich ressourcenschonenderen Bauweise beitragen.
Denn mit jeder Tonne recyceltem Material werden natürliche Rohstoffe wie Gesteinskörnungen und Bitumen eingespart. Gleichzeitig reduziert sich der Bedarf an Deponieraum – ein zunehmend knapper und teurer Faktor. Auch aus logistischer Sicht bietet das Recycling Vorteile: Weniger Transporte, geringere CO₂-Emissionen und geringere Beschaffungs- sowie Entsorgungskosten stärken die Wirtschaftlichkeit vor allem für regionale Projekte.
Barbara Grunewald, Geschäftsführerin von vero, sieht darin einen wichtigen Hebel für mehr Nachhaltigkeit: Durch die Anerkennung als Nebenprodukt steige die Akzeptanz für die Wiederverwendung – ein entscheidender Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft.

Recycling: Aus Bauabfällen wird alles – außer Baustoff
Recycling im Bauwesen bietet enormes Potenzial, doch bürokratische Hürden und fehlende Infrastruktur blockieren Fortschritte. Statt in den Materialkreislauf zurückzukehren, landen Bauabfälle oft auf Deponien. Die Ersatzbaustoffverordnung hätte helfen können, doch die Realität sieht anders aus. Lösungen sind dringend gefragt.
So funktioniert die Wiederverwendung von Ausbauasphalt in der Praxis
Die Wiederverwendung von Ausbauasphalt ist technisch längst erprobt und im Regelwerk für Asphaltbau verankert. In der Praxis kommt es jedoch stark auf die Rahmenbedingungen an – und genau hier setzt das Gutachten an. Entscheidend ist, dass der Asphalt vor dem Ausbau analysiert und seine Eignung dokumentiert wird. Nur so kann das Material später rechtssicher als Nebenprodukt eingesetzt werden.
Im Idealfall erfolgt der Wiedereinsatz direkt in Asphaltmischanlagen, wo das recycelte Material mit frischen Komponenten vermengt wird. So lässt sich die Qualität neuer Asphaltmischungen gewährleisten – bei gleichzeitig sinkendem Ressourceneinsatz.
Ein weiterer Vorteil: Auch eine Zwischenlagerung des Materials ist zulässig, ohne dass dadurch der Nebenproduktstatus verloren geht. Das schafft Flexibilität in der Logistik und erlaubt eine bedarfsgerechte Wiederverwertung – ein nicht zu unterschätzender Vorteil für Bauunternehmen und Mischwerke.
Warum das Gutachten ein Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft ist
Mit dem neuen Rechtsgutachten haben BVMB und vero einen wichtigen Impuls gesetzt: Die Möglichkeit, Ausbauasphalt als Nebenprodukt einzustufen, ist mehr als eine juristische Feinheit – sie ist ein strategischer Hebel für eine zukunftsfähige Bauwirtschaft. Wenn Material nicht länger pauschal als Abfall gilt, steigen nicht nur die Chancen für Recyclinglösungen, sondern auch die Bereitschaft in der Branche, diese aktiv umzusetzen.
Das Gutachten liefert Rechtssicherheit, stärkt das Vertrauen in den technischen und ökologischen Wert von Ausbauasphalt und macht deutlich: Die bisher oft ungenutzten Potenziale lassen sich realistisch erschließen – ohne Qualitätseinbußen, aber mit messbarem Gewinn für Umwelt und Wirtschaft.
Für die beiden Verbände ist klar: Die neue Einstufung ist ein Baustein für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft im Straßenbau – und ein Appell, die bestehenden Möglichkeiten konsequenter zu nutzen. Ein Umdenken ist möglich – und rechtlich machbar.
Zur Pressemitteilung: https://www.bvmb.de/images/pdf/Pressemitteilungen/2025-03-14_Gemeinsame_Pressemitteilung_vero_BVMB.pdf