Baubranche in Sorge: Platz auf Mülldeponien wird knapp

Die Kapazitäten auf deutschen Mülldeponien werden knapp, während neue Verordnungen die Situation weiter verschärfen könnten. Die Baubranche sieht das Recycling gefährdet und warnt vor einem möglichen Entsorgungsnotstand. Besonders betroffen sind Bundesländer mit hoher Bautätigkeit und begrenzten Deponieressourcen wie Bayern oder Hessen.

Deutschlands Mülldeponien stehen vor einem ernsthaften Kapazitätsproblem. Laut dem Statistischen Bundesamt werden von den im Jahr 2022 noch betriebenen 1001 Deponien bis 2032 insgesamt 547 geschlossen, was mehr als der Hälfte entspricht. Dadurch könnte das verbleibende Volumen um fast ein Drittel auf knapp 300 Millionen Kubikmeter schrumpfen – es sei denn, bestehende Deponien werden erweitert oder neue Anlagen geschaffen. Besonders alarmiert ist die Baubranche, die über die Hälfte der in Deutschland anfallenden Abfälle produziert. Die Sorge wird zusätzlich durch die seit einem Jahr gültige Ersatzbaustoffverordnung verstärkt, die eigentlich das Recycling von Bauschutt und Bodenaushub fördern soll. Doch durch die neuen, strengeren Bodenschutzvorschriften könnte sie das genaue Gegenteil bewirken.

Neue Ersatzbaustoffverordnung – Eine Gefahr für das Recycling?

Eine Umfrage von vier Bau- und Recyclingverbänden zeigt, dass nur 5 Prozent der 156 befragten Unternehmen seit der Einführung der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) eine Zunahme beim Recycling von Bauschutt und Bodenaushub verzeichnen. Im Gegensatz dazu berichteten 42 Prozent, dass weniger Material wiederverwertet wird, und 52 Prozent sehen keine Veränderung. „Mangels Verwertungsmöglichkeiten bleibt oft nur die Deponierung“, warnt Andreas Pocha, Geschäftsführer des Deutschen Abbruchverbands.

Auch die Nachfrage nach Recyclingmaterialien ist gesunken, da Bauherren, einschließlich öffentlicher Behörden, weiterhin Primärbaustoffe bevorzugen. Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) kritisiert: „Länder und Kommunen müssen sich verpflichten, Recyclingmaterial zu nutzen, sonst scheitert die Verordnung.“ Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie fügt hinzu, dass statt einer Förderung der Kreislaufwirtschaft nun mehr Rohstoffe auf Deponien landen und die Kosten gestiegen sind.

Baubranche warnt vor mangelnder Unterstützung durch Behörden

Die Ersatzbaustoffverordnung erweist sich als äußerst kompliziert, was nicht nur Unternehmen, sondern auch Behörden vor Probleme stellt. „Oftmals sind die Behördenvertreter unzureichend informiert und können bei der Umsetzung der EBV-Vorgaben kaum Unterstützung bieten“, kritisiert Katrin Mees, Geschäftsführerin der Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe.

In der Bau- und Baustoffrecycling-Branche herrscht die Einschätzung, dass sich das Deponieproblem in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. Besonders betroffen sind Bundesländer mit hoher Bautätigkeit und begrenzten Deponiekapazitäten, wie Bayern und Hessen. „Dort stellt die Verfügbarkeit geeigneter Deponien seit Jahren einen erheblichen Engpass dar“, warnt Andreas Pocha vom Deutschen Abbruchverband. Die Folge: Bauabfälle müssen teilweise über weite Strecken, etwa von Bayern nach Thüringen, transportiert werden.

Deponiekapazitäten in Deutschland – Ein schrumpfendes Gut

Alljährlich produziert Deutschland an die 400 Millionen Tonnen Müll, etwas weniger als noch Ende des vergangenen Jahrzehnts. Eine Ursache ist die derzeitige Konjunkturflaute, die auch die Bauabfälle vermindert hat. Der größere Teil wird recycelt oder anderweitig verwertet, doch von den 399 Millionen Tonnen Abfall des Jahres 2022 landeten 65 Millionen Tonnen auf Deponien. Zahlen für 2023 gibt es noch nicht.

Neu ist das Problem nicht, sondern in Fachkreisen seit Jahren Thema. Vor zwei Jahrzehnten waren deutschlandweit über 2000 Deponien mit 668 Millionen Kubikmetern Restvolumen in Betrieb. Nach jetzigem Stand wird im Jahr 2032 weniger als ein Viertel dieser Deponien noch zur Verfügung stehen. Unter anderem wurde 2005 wegen strengerer Umweltvorschriften eine Reihe von Deponien vorzeitig geschlossen, wie das Bundesumweltministerium erläutert.

Bundesumweltministerium verteidigt Ersatzbaustoffverordnung

Sollte die Ersatzbaustoffverordnung tatsächlich die Recyclingquote von Bauabfällen senken, würde das die verbleibenden Deponiekapazitäten schneller schrumpfen lassen. „Wir haben bislang keine konkreten Hinweise darauf, dass es durch die beiden Verordnungen zu einer vermehrten Beseitigung von verwertbaren Bauabfällen kommt“, entgegnet das Bundesumweltministerium auf die Kritik. Bis August 2025 soll eine erste Evaluierung der Ersatzbaustoffverordnung vorliegen.

Das Abfallrecht als solches ist Sache der Länder. Dementsprechend sind auch die Landesregierungen für die Planung von Ersatzkapazitäten zuständig, nicht der Bund. Doch daran hakt es nach Einschätzung der Bau- und Recyclingwirtschaft in etlichen Ländern.

Kommunen stehen neuen Mülldeponien ablehnend gegenüber

Denn Mülldeponien sind naturgemäß unpopulär. „Die Länder sehen sich zunehmend einer ablehnenden Haltung zu Deponien auf kommunaler Ebene gegenüber“, heißt es beim Bauindustrie-Verband. „Da gesellschaftspolitisch neue Deponien schwer durchsetzbar sind, müssen sowohl Bund als auch die Länder sich dieser Aufgabe mit bundesweiter Relevanz aktiv widmen. Erforderlich ist eine Bund-Länder-Deponiestrategie.“

Sollte es eines Tages zum Deponienotstand kommen, wäre das ein bundesweites Thema, das nicht auf die Länder beschränkt bliebe. „Momentan liegen uns keine Hinweise vor, nach denen die Kapazitäten für die Abfalldeponierung in Deutschland mittelfristig nicht ausreichen werden“, heißt es beim Bundesumweltministerium.

Unter Regie des Umweltbundesamts läuft derzeit ein Forschungsprojekt zur Technik der Abfallablagerung, in dessen Rahmen auch die Deponiekapazitäten ermittelt werden. Erste Ergebnisse sollen 2025 veröffentlicht werden.

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