Recycling: Aus Bauabfällen wird alles – außer Baustoff

Recycling im Bauwesen bietet enormes Potenzial, doch bürokratische Hürden und fehlende Infrastruktur blockieren Fortschritte. Statt in den Materialkreislauf zurückzukehren, landen Bauabfälle oft auf Deponien. Die Ersatzbaustoffverordnung hätte helfen können, doch die Realität sieht anders aus. Lösungen sind dringend gefragt.

Bauabfälle sind weit mehr als nur Abfall – sie könnten wertvolle Ressourcen sein, um die Umwelt zu schonen und den Rohstoffbedarf der Bauindustrie zu senken. Mit der Einführung der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) sollte genau das erreicht werden: Ein effizienteres Recycling und die verstärkte Nutzung von Recyclingbaustoffen. Doch die Realität sieht anders aus. Statt Fortschritten stehen Unternehmen vor Hürden, und das große Potenzial der Bauabfälle bleibt weitgehend ungenutzt. Was lief schief, und wie könnte ein nachhaltiger Umgang mit Bauabfällen gelingen?

Ein Baustoff, der nicht sein Potenzial entfalten kann

Deutschland gehört europaweit zu den Spitzenreitern im Recycling von Bauabfällen – zumindest auf den ersten Blick. Jährlich fallen rund 220 Millionen Tonnen mineralischer Bauabfälle an, was mehr als der Hälfte des gesamten Müllaufkommens entspricht. Der Großteil davon, etwa 130 Millionen Tonnen, stammt aus Bodenaushub, Baggergut und Gleisschotter. Die restlichen 90 Millionen Tonnen setzen sich aus Bauschutt, Straßenaufbruch und Baustellenabfällen zusammen.

Beeindruckende 90 Prozent dieser mineralischen Bauabfälle werden wiederverwertet. Doch ein genauerer Blick zeigt: Das Recycling beschränkt sich häufig auf den Deponiebau oder das Verfüllen von Abgrabungen im Tagebau. Der Anteil, der tatsächlich als Ersatz für Primärrohstoffe im Bauwesen genutzt wird, liegt lediglich bei 13 Prozent. Dabei enthalten Bauabfälle wie Beton, Ziegel und Fliesen zahlreiche Ressourcen, die einst unter hohem Energieaufwand hergestellt wurden. Statt sie optimal einzusetzen, werden sie häufig lediglich als Schüttgut im Straßenbau verwendet – ein Prozess, der zwar „Recycling“ genannt wird, aber das volle Potenzial dieser Stoffe kaum ausschöpft.

Die geringe Nutzung als Ersatzbaustoff hat viele Gründe, darunter fehlende klare Regelungen und ein Markt, der Primärrohstoffe weiterhin bevorzugt. Doch ohne eine stärkere Integration von Recycling-Baustoffen droht nicht nur eine Ressourcenverschwendung, sondern auch ein Rückschritt in Sachen Klimaschutz.

Die EBV: Mehr Vorschriften, weniger Ergebnisse

Mit der Einführung der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) im August 2023 sollte eigentlich alles besser werden. Klare Regeln für den Einsatz aufbereiteter Materialien in Straßen, Brücken und anderen technischen Bauwerken sollten den Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe fördern. Stattdessen hat die Verordnung viele Bauunternehmen in einen bürokratischen Dschungel geführt.

Besonders ärgerlich: Eine wichtige Regelung, die sogenannte Abfallende-Verordnung, fehlt. Sie hätte den Übergang von Bauabfällen zu echten Produktmaterialien erleichtert. Ohne diese Regelung bleibt alles, was aufbereitet wird, rechtlich gesehen Abfall – mit entsprechenden Einschränkungen und hohen Nachweispflichten. Unternehmen müssen neue Prüfungen, Grenzwertkontrollen und aufwendige Dokumentationen durchführen. Das erhöht nicht nur die Kosten, sondern behindert oft auch die Arbeitsprozesse auf Baustellen.

Die Bilanz nach einem Jahr ist entsprechend ernüchternd. Laut einer Umfrage unter 156 Unternehmen gaben 42 Prozent an, dass die Verwertung zurückgegangen sei, während nur fünf Prozent von Verbesserungen sprachen. Mit mehr Aufwand und weniger Nutzen hat die EBV in der Praxis also eher Blockaden geschaffen als Fortschritte ermöglicht.

Warum Bauabfälle oft als Abfall enden

Die Bauindustrie könnte eine treibende Kraft für die Wiederverwertung wertvoller Ressourcen sein, doch in der Realität bleibt vieles auf der Strecke. Das Problem beginnt schon mit der Definition: Alles, was auf Baustellen abgetragen oder abgebrochen wird, gilt rechtlich weiterhin als Abfall. Das hat weitreichende Konsequenzen, denn damit unterliegt das Material den strengen Regeln der Ersatzbaustoffverordnung – einschließlich komplizierter Prüfverfahren und hoher Kosten.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist Asphaltabbruch im Straßenbau. Früher wurde dieser direkt vor Ort wiederverwertet: Die Maschinen zerkleinerten den Abbruch und setzten ihn sofort in der unteren Schicht eines neuen Straßenabschnitts ein. Heute müssen die Materialien zunächst beprobt, analysiert und dokumentiert werden. Das kostet nicht nur Zeit, sondern erfordert auch zusätzliche Lagerflächen, die auf Baustellen oft fehlen.

Hinzu kommen Unsicherheiten in der Praxis. Viele Aufbereitungsanlagen haben ihre Annahmebedingungen geändert, was Bauunternehmen vor neue Herausforderungen stellt. In einigen Regionen mit hoher Bautätigkeit, etwa Bayern, stoßen begrenzte Deponiekapazitäten auf eine wachsende Nachfrage. Teilweise müssen Bauabfälle über große Entfernungen transportiert werden, um überhaupt entsorgt werden zu können – ein paradoxer Schritt in Zeiten von Nachhaltigkeit und kurzen Lieferketten.

Ohne klare und pragmatische Regelungen bleibt das Potenzial von Bauabfällen ungenutzt. Statt als wertvolle Ressource enden sie häufig dort, wo sie eigentlich nicht hingehören: auf der Deponie.

Die Herausforderungen für Bauunternehmen und Behörden

Die Ersatzbaustoffverordnung hat viele Unternehmen vor praktische Probleme gestellt, die oft mit regionalen Gegebenheiten zusammenhängen. In Bundesländern mit intensiver Bautätigkeit, wie Bayern oder Baden-Württemberg, stoßen Bauunternehmen auf eine paradoxe Situation: Während einerseits mehr Bauabfälle anfallen, fehlen andererseits die Kapazitäten zur Aufbereitung und Verwertung. Deponien sind überlastet, und der Transport von Bauabfällen in andere Bundesländer erhöht die Kosten und den logistischen Aufwand erheblich.

Für Behörden und Bauherren stellt sich zusätzlich die Frage, wie die Verordnung konsequent umgesetzt werden kann, ohne dabei unnötige Bürokratie zu schaffen. Häufig fehlen klare Vorgaben, wann und wie Ersatzbaustoffe tatsächlich genutzt werden sollen. Diese Unsicherheit führt dazu, dass viele Bauherren auf Nummer sicher gehen und weiterhin auf Primärbaustoffe setzen.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Infrastruktur. Während moderne Aufbereitungsanlagen in manchen Regionen verfügbar sind, herrscht in anderen Landesteilen ein deutlicher Mangel. Diese Ungleichheit erschwert es, die Verordnung flächendeckend umzusetzen und Recyclingmaterialien effizient zu nutzen.

Die Lösung könnte in einer besseren regionalen Koordination liegen: durch Investitionen in Aufbereitungsanlagen und die Einführung standardisierter Verfahren, die den Einsatz von Bauabfällen attraktiver machen. Doch bis dahin bleibt die Herausforderung bestehen, die Theorie der Verordnung mit den Realitäten vor Ort in Einklang zu bringen.

Wiederverwertung mineralische Bauabfälle

1% Verwertungsquote: Das ungenutzte Potenzial mineralischer Bauabfälle in NRW

In Nordrhein-Westfalen werden jährlich schätzungsweise 40 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle produziert, doch weniger als ein Prozent dieser mineralischen Bauabfälle finden ihren Weg zurück in den Hochbau. Dies stellt eine enorme Verschwendung wertvoller Ressourcen dar und zeigt das ungenutzte Potential auf, das in der Wiederverwertung dieser Materialien liegt. Durch innovative Recyclingmethoden und verbesserte Regelungen könnten diese Abfälle einen signifikanten Beitrag zum umweltfreundlichen Bauen leisten.

weiterlesen ⟶

Nachhaltigkeit im Bau: Ein Systemwechsel ist gefragt

Die Diskussion um die Nutzung von Bauabfällen lenkt den Blick auf ein grundlegendes Problem: Es geht nicht nur um höhere Verwertungsquoten, sondern auch um eine Neuausrichtung des Bauwesens selbst. Ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen beginnt lange vor der Frage, wie Abbruchmaterialien wiederverwendet werden können.

Experten wie Johannes Kreißig von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) plädieren dafür, weniger abzureißen und bestehende Gebäude stärker zu nutzen. Der Fokus sollte darauf liegen, Materialien so zu verbauen, dass sie später leichter getrennt und wiederverwendet werden können. Sortenreine Verbindungen und lösbare Konstruktionen sind entscheidend, um die Materialkreisläufe zu schließen.

Doch auch hier stehen Bauherren und Planer vor Herausforderungen. Gerade in älteren Gebäuden finden sich oft schadstoffbelastete Materialien wie Asbest, die nicht einfach in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Zudem sind viele Baustoffe so miteinander verbunden, dass eine Trennung fast unmöglich ist.

Ein zukunftsweisender Ansatz wäre es, den Materialeinsatz von Anfang an stärker zu hinterfragen. Weniger Abriss, mehr Sanierung und Wiederverwendung könnten dazu beitragen, die Bauindustrie langfristig nachhaltiger zu gestalten. Damit einhergehend muss jedoch auch die Bereitschaft wachsen, alternative Materialien zu akzeptieren und diese mit klaren Qualitätsstandards zu versehen. Nur so lässt sich die Vision einer echten Kreislaufwirtschaft im Bauwesen realisieren.

Facebook
Twitter
LinkedIn

Ähnliche Neuigkeiten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert