Mantelverordnung 2023: Wie die Verordnung die Recyclingbranche belastet

Die Mantelverordnung sollte bundesweit einheitliche Standards für Recyclingbaustoffe schaffen. Stattdessen sorgen Bürokratie und regionale Unterschiede für Unsicherheit in der Branche, während die Nachfrage spürbar zurückgeht. Erste Anpassungen und Erleichterungen sind in Sicht – doch reicht das, um die Kreislaufwirtschaft nachhaltig voranzubringen?

Ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Mantelverordnung sieht sich die Recyclingbranche mit unerwarteten Herausforderungen konfrontiert. Trotz der angestrebten Vereinheitlichung im Umgang mit Recycling-Baustoffen sorgt die Umsetzung für Kritik und Verwirrung. Regionale Unterschiede und hohe Anforderungen setzen die Branche zunehmend unter Druck – und erschweren zugleich die dringend nötige Nutzung recycelter Materialien im Bauwesen. Nun verspricht die Politik Anpassungen und erste Erleichterungen. Doch reicht das aus, um die Kreislaufwirtschaft auf Kurs zu halten?

Ein Jahr Mantelverordnung: Nachfragerückgang bei Recycling-Baustoffen

Seit der Einführung der Mantelverordnung im August 2023 verzeichnet die Recyclingbranche einen erheblichen Rückgang der Nachfrage nach Ersatzbaustoffen. Ursprünglich sollte die Verordnung eine bundesweit einheitliche Regelung für den Einsatz von Recyclingbaustoffen und den Bodenschutz schaffen und damit die Akzeptanz für recyceltes Baumaterial steigern. Das Ziel war es, den Einsatz von Materialien aus Abbruch und Rückbau zu fördern und zugleich strenge Umweltstandards zum Schutz von Boden und Grundwasser sicherzustellen.

In der Praxis jedoch zeigt sich ein anderes Bild: Nahezu die Hälfte der Unternehmen im Bereich Recyclingbaustoffe meldet eine sinkende Nachfrage. Der Verwaltungsaufwand und die unklaren Anforderungen an die Güteüberwachung der Materialien haben das Gegenteil bewirkt – statt den Markt zu stärken, sind die Hürden für Anbieter und Anwender gestiegen. Dies hat nicht nur finanzielle Folgen, sondern behindert auch den Fortschritt in der Kreislaufwirtschaft, wie Vertreter der Branche kritisieren.

Kritik an regionalen Abweichungen und bürokratischem Aufwand

Die Einführung der Mantelverordnung sollte ursprünglich für klare und einheitliche Standards im Bereich der Recyclingbaustoffe sorgen. Doch die Realität zeigt ein komplexes Bild: Zahlreiche Bundesländer setzen die Verordnung unterschiedlich um und führen zusätzliche Vorgaben ein. So kritisieren Unternehmen und Verbände nicht nur die mangelnde Einheitlichkeit, sondern auch den hohen bürokratischen Aufwand, der mit der Einhaltung der Vorschriften verbunden ist.

Christa Szenkler, Präsidiumsmitglied des Industrieverbands Steine Erden (Iste) in Baden-Württemberg und stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung Recycling-Baustoffe, äußerte dazu deutliche Worte: Von einer praktikablen und einheitlichen Regelung könne keine Rede sein. Auf dem Baustoff-Recycling-Tag in Filderstadt erklärte sie, dass die Vorgaben zur Überwachung der Materialqualität für die Unternehmen zu einem erheblichen Kostenfaktor geworden seien. Besonders problematisch sei dies, da die Verordnung in vielen Bundesländern nicht einheitlich angewendet werde und dadurch Unsicherheit entstehe.

Durch diese Abweichungen und Unklarheiten bleibt die eigentliche Zielsetzung der Verordnung – eine vereinfachte Nutzung von recycelten Baustoffen – bisher weitgehend unerfüllt. Die Branche fordert daher Nachbesserungen, um den Einsatz von Ersatzbaustoffen wieder attraktiver zu machen.

Ministerieller Erlass zur Einzelfallprüfung in Aussicht

Ein weiteres Hindernis für die Umsetzung der Mantelverordnung sind die strengen Auflagen für den Einsatz von Ersatzbaustoffen in bestimmten Regionen. In Baden-Württemberg dürfen selbst Recycling-Baustoffe der höchsten Qualitätsklassen auf rund 34 Prozent der Landesfläche nicht ohne eine Einzelfallprüfung verwendet werden. Der Grund: Diese Gebiete verfügen nicht über schützende Bodenschichten, die das Grundwasser vor möglichen Verunreinigungen abschirmen könnten. Die Recyclingbranche empfindet diese Einschränkung als massives Hindernis, da die aufwendigen Einzelfallprüfungen eine erhebliche finanzielle und zeitliche Belastung darstellen.

Um diesem Problem zu begegnen, erwägt Umweltstaatssekretär Andre Baumann einen ministeriellen Erlass. Dieser könnte den Weg für klarere Entscheidungsrichtlinien ebnen und Einzelfallprüfungen effizienter gestalten. Dennoch betonte Baumann, dass es in vielen Fragen am Bund liege, grundlegende Anpassungen an der Verordnung vorzunehmen. Ohne die notwendigen Maßnahmen auf Bundesebene seien die Möglichkeiten auf Landesebene begrenzt, fügte er hinzu.

Dieser Erlass wäre ein erster Schritt, um die Anwendung von Recyclingmaterialien im Straßen- und Wegebau zu erleichtern und damit auch der Branche eine dringend benötigte Perspektive zu geben.

Status von RC-Baustoffen: Produkt oder Abfall?

Eine zentrale Forderung der Recyclingbranche betrifft den rechtlichen Status von Recycling-Baustoffen: Bislang gelten nur die hochwertigsten Recyclingklassen, wie die Klasse RC-1, nicht mehr als Abfall, sondern als Produkt. Diese Einstufung erleichtert die Verwendung solcher Materialien im Bauwesen erheblich. Doch für andere, ebenfalls qualitativ hochwertige Klassen bleibt diese Anerkennung bisher aus – was für viele Unternehmen ein bedeutendes Hindernis darstellt, da der Abfallstatus zahlreiche Auflagen und Einschränkungen nach sich zieht.

Umweltstaatssekretär Andre Baumann verwies auch in dieser Frage auf den Bund, da die Mantelverordnung bundesweit geregelt werden müsse. Dennoch deutete er an, dass Baden-Württemberg notfalls eigenständig handeln könnte, sollte der Bund hier nicht bald tätig werden. Eine umfassende Anerkennung weiterer RC-Baustoffklassen als Produkte sei jedoch derzeit nicht geplant, da das Land weiterhin Bedenken hinsichtlich der Umweltauswirkungen habe.

Branchenvertreter hoffen dennoch auf eine Lösung, die den Einsatz von Recyclingmaterialien erleichtert und gleichzeitig den ökologischen Anforderungen gerecht wird. Eine eindeutige Regelung könnte dabei helfen, den Markt zu beleben und das Vertrauen in Ersatzbaustoffe zu stärken.

Neue Testregelung für mobile Brecheranlagen

Eine weitere Anpassung betrifft den Einsatz mobiler Brecheranlagen, die im Rahmen der Mantelverordnung bislang strengen Testvorgaben unterliegen. Bisher musste das Material, das in mobilen Anlagen verarbeitet wird, durch einen umfangreichen Labortest geprüft werden. Dieser Prozess ist jedoch kostenintensiv und kann bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen – eine Hürde, die den Einsatz solcher Anlagen häufig unwirtschaftlich macht.

Um diese Situation zu verbessern, veröffentlichte das Umweltministerium von Baden-Württemberg einen neuen Erlass: Ab sofort kann beim Einsatz mobiler Brecheranlagen ein Kurztest verwendet werden, der nur ein Fünftel der bisherigen Kosten verursacht und innerhalb von weniger als vier Tagen Ergebnisse liefert. Diese Anpassung soll den Unternehmen mehr Flexibilität bieten und den Einsatz mobiler Anlagen auch in kleineren Projekten wieder rentabler machen.

Mit diesen Erleichterungen sendet die Politik ein wichtiges Signal an die Recyclingbranche: Baden-Württemberg will die Recyclingwirtschaft stärken, ohne dabei den Umwelt- und Grundwasserschutz zu gefährden. Andre Baumann betonte, dass das Land die Kreislaufwirtschaft als „neues Normal“ etablieren möchte und dabei die Balance zwischen wirtschaftlicher Effizienz und ökologischem Schutz finden will.

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