Mit dem neuen Vergabegesetz kündigt sich eine echte Zäsur in der öffentlichen Auftragsvergabe an – besonders im Tiefbau. Während bisher vor allem Kosten und Fristen im Mittelpunkt standen, rückt nun ein Thema ins Zentrum, das lange Zeit eine untergeordnete Rolle spielte: Nachhaltigkeit.

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Klimaschutz durch Vergaberecht: Was das neue Gesetz möglich macht
Am 6. August 2025 hat der Bundestag den Entwurf für ein neues Vergabegesetz verabschiedet. Dieses Gesetz soll nicht nur die Vergabeverfahren beschleunigen, sondern auch Klimaschutz verbindlich in der öffentlichen Beschaffung verankern. Dafür wird die Bundesregierung erstmals ermächtigt, per Verordnung einheitliche Nachhaltigkeitskriterien festzulegen.
Gerade im Tiefbau schafft das klare Rahmenbedingungen. Bisher herrschte ein Flickenteppich aus Regeln und Bewertungen, abhängig von Region und Vergabestelle. Nun entsteht die Möglichkeit, CO₂-Kriterien, Lebenszykluskosten und Recyclingfähigkeit verpflichtend in Ausschreibungen zu integrieren.
Für Planer und Bieter bringt das mehr Transparenz und Verlässlichkeit. Nachhaltige Lösungen werden dadurch messbar und vergleichbar. Damit setzt das Vergabegesetz ein deutliches Signal: Klimaschutz ist kein Zusatzkriterium mehr, sondern fester Bestandteil der Vergabeprozesse im öffentlichen Tiefbau.
Nachhaltigkeit konkret: Was der FBS fordert und warum
Der Bundesfachverband Betonkanalsysteme (FBS) begrüßt die Einführung einheitlicher Nachhaltigkeitskriterien ausdrücklich, warnt aber zugleich vor halbherzigen Lösungen. Denn aus Sicht des Verbands reicht es nicht aus, einzelne Rohstoffe zu betrachten. Entscheidend ist die Nachhaltigkeit des Endprodukts über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Zentral ist dabei der Einsatz von Ökobilanzen – genauer: EPDs (Environmental Product Declarations) und LCAs (Life Cycle Assessments). Diese müssen nicht an der Werkstor-Logik enden, sondern auch das Recycling am Lebensende des Produkts einbeziehen. Nur so lassen sich CO₂-Emissionen vollständig und vergleichbar erfassen.
Darüber hinaus fordert der FBS, dass Umweltfolgekosten – etwa für Emissionen oder Ressourcenverbrauch – als Zuschlagskriterium in Vergabeverfahren berücksichtigt werden. Das macht ökologische Qualität endlich wirtschaftlich sichtbar.
Die Bewertung sollte sich zudem auf konkrete Produkte stützen, nicht nur auf Grundstoffe. Denn nur Produkte spiegeln den tatsächlichen Ressourceneinsatz und die Umweltwirkung wider – entscheidende Faktoren in nachhaltigen Ausschreibungen.

Von 3D-Scans bis Sicherheitschecks: KI verändert die Baubranche rasant
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Nächste Schritte: Wie das Vergabegesetz Wirkung entfalten kann
Mit dem verabschiedeten Vergabegesetz ist der rechtliche Rahmen geschaffen, doch seine tatsächliche Wirkung hängt entscheidend von der kommenden Verordnung ab. Der FBS fordert daher eine schnelle, bundeseinheitliche Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien, insbesondere für CO₂-Bewertungen, Lebenszykluskosten und EPD-Nachweise.
Damit die Umsetzung nicht an der Komplexität scheitert, schlägt der Verband vor, standardisierte Formblätter oder Softwarelösungen zentral bereitzustellen. Das würde Vergabestellen entlasten und die Vergleichbarkeit zwischen Angeboten sichern.
Ein weiteres zentrales Element ist ein Monitoring-System, das den ökologischen Impact öffentlicher Ausschreibungen messbar macht. Nur so können Auftraggeber langfristig fundierte Entscheidungen treffen und Planungssicherheit gewinnen.
Der FBS will sich aktiv in die Ausgestaltung der Verordnung einbringen und stellt bereits praxisnahe Lösungen zur Verfügung. Ziel ist es, Nachhaltigkeit nicht nur als politischen Anspruch zu formulieren, sondern konkret und wirksam im Vergabeprozess zu verankern.