Vom Restmüll zum Baustoff: Wiener Projekt setzt neue Maßstäbe

Ein innovatives Projekt zeigt, wie aus Müllverbrennungsrückständen ein zertifizierter Baustoff wird. Die Mischung aus Wissenschaft, Wirtschaft und Stadt macht deutlich, welches Potenzial in echter Kreislaufwirtschaft steckt.

Die Bauwirtschaft steht unter Druck: Ressourcenknappheit, steigende Transportkosten und der Ruf nach Nachhaltigkeit fordern neue Lösungen. Während Kies- und Sandvorkommen schrumpfen, fällt in städtischen Verbrennungsanlagen tonnenweise ungenutztes Material an. Ein interdisziplinäres Projekt aus Wien und Linz hat nun einen Weg gefunden, genau diese Rückstände in einen hochwertigen Baustoff zu verwandeln. Was nach Müll klingt, könnte zum Baustein für die Bauwende werden.

Kreislaufwirtschaft als Schlüssel zur Ressourcenschonung

Mit einem neu entwickelten, nachhaltigen Baustoff soll künftig ein wesentlicher Beitrag zu Ressourcenschonung, Klimaschutz und der Reduktion von Deponievolumen geleistet werden. Die Innovation basiert auf einer Gesteinskörnung, die aus Rückständen der Müllverbrennung – konkret aus gewaschener, aufbereiteter Schlacke – besteht. Diese kann im Betonbau 10 bis 20 Prozent des bisherigen Anteils von Sand oder Kies ersetzen.

Erarbeitet wurde das Verfahren in einem mehrjährigen Kooperationsprojekt zwischen der Wiener Magistratsabteilung 48, der Linz AG (Bereich Abfall), Brantner green solutions und Wopfinger Transportbeton. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt vom Christian-Doppler-Labor der TU Wien, das als Förderprogramm des Wirtschaftsministeriums Wirtschaft und Forschung gezielt vernetzt. Die Zusammenarbeit zeigt exemplarisch, wie Kreislaufwirtschaft im Bauwesen praktisch umgesetzt werden kann.

Jakob Lederer, Leiter des Christian-Doppler-Labors, betont den ökologischen Hebel: Allein in Wien liegt der jährliche Verbrauch von Sand und Kies für den Hochbau bei rund 2,3 Millionen Tonnen – in Linz bei etwa 400.000 Tonnen. Durch die neue Gesteinskörnung kann ein Teil dieses Bedarfs lokal gedeckt werden. Das schont nicht nur natürliche Ressourcen, sondern reduziert auch den LKW-Verkehr und damit den CO₂-Ausstoß in städtischen Regionen.

Zertifizierter Ersatz für Sand und Kies im Betonbau

Dass es sich bei der neu entwickelten Gesteinskörnung nicht um ein Nischenprodukt handelt, sondern um einen technisch hochwertigen Ersatz für natürliche Zuschläge, wurde durch eine unabhängige Prüfstelle bestätigt: Die Mischung erhielt ein CE-Zertifikat und ist damit als normgerechter Baustoff offiziell zugelassen. Sie erfüllt sowohl ökologische als auch technische Anforderungen an die Betonverarbeitung.

Für die Wopfinger Transportbeton Ges.m.b.H. ist das Projekt ein zentraler Baustein der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie. „Kreislaufwirtschaft und höchste Betonqualität sind sehr gut vereinbar“, betont Geschäftsführer Wolfgang Moser. Ziel sei es, ressourcenschonende Produktlösungen aus der Nische zu holen und im großflächigen Einsatz zu etablieren.

Die technische Machbarkeit ist also gegeben – nun sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen gefragt, um den innovativen Baustoff wettbewerbsfähig zu machen. Politische Unterstützung und klare rechtliche Vorgaben könnten den Weg bereiten, um industrielle Schlacke als standardisierte Ressource im Betonbau zu verankern und so langfristig die Bauwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.

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