In Deutschland zeichnet sich ein revolutionärer Trend in der Baubranche ab, der das Potential hat, die Umweltbelastung signifikant zu reduzieren und die Bauwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Statt Aushub und Baureste einfach auf Deponien zu entsorgen, ermöglicht die innovative Technologie des Flüssigbodens eine effiziente Wiederverwendung dieser Materialien. Diese Methode bietet nicht nur ökonomische Vorteile durch Einsparungen bei Transport- und Deponiekosten, sondern trägt auch dazu bei, die CO2-Bilanz zu verbessern. Doch wie funktioniert das genau und welche technischen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen sind dabei zu beachten?
Nachhaltige Bauprozesse durch Abfallvermeidung
Die Bauindustrie steht vor einer ökologischen Herausforderung: Ein großer Teil des Abfallaufkommens in Deutschland besteht aus Aushubmaterial. Innovative Ansätze wie der Einsatz von Flüssigboden bieten hier eine Lösung, um Ressourcen zu schonen und Umweltbelastungen zu verringern. Der Flüssigboden, auch bekannt als „zeitweise fließfähiger selbstverdichtender Verfüllbaustoff“ (ZFSV), revolutioniert die Wiederverwendung von ausgehobenem Material.
Durch die Verwendung von ZFSV können die Baustellenabfälle direkt vor Ort wiederverwertet werden, was nicht nur die Transportkosten reduziert, sondern auch den Bedarf an Deponieraum signifikant verringert. Dies hat einen direkten Einfluss auf die Umweltentlastung. Die Möglichkeit, Bodenaushub wiederzuverwenden, erschließt sich durch dessen Transformation in einen fließfähigen Zustand, der die Wiederverdichtung erleichtert und die Qualität des Baumaterials beibehält.
Dr.-Ing. Jana Simon von den Geoingenieuren SOS aus Bochum betont, dass die gesetzlich geforderte Abfallhierarchie nach dem § 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) von 2012 die Wiederverwendung dieser Materialien vorschreibt. Oft wird der Aushub jedoch, bevor er erneut verwendet wird, kostenintensiv entsorgt. Dies geschieht vor allem dann, wenn er sich als nicht ausreichend verdichtbar erweist, die Korngrößenverteilung nicht geeignet ist oder das Material Verunreinigungen enthält. Die Lösung mittels Flüssigboden überwindet diese Hürden und fördert so eine nachhaltigere Bauweise.
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Kreislaufwirtschaft in der Bauindustrie: Wiederverwendung von Bodenaushub
Im Kontext der Kreislaufwirtschaft bietet der Bauaushub, der bei unterschiedlichen Projekten anfällt, zwei wesentliche Wege zur Wiederverwendung: Recycling und direkten Wiedereinbau. Der Aushub kann zunächst gemäß den „Technischen Lieferbedingungen für Böden und Baustoffe im Erdbau des Straßenbaus“ (TL BuB E-StB:2009) als Gesteinskörnung aufbereitet und in den Baustoffkreislauf als Bestandteil des zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoffs (ZFSV) zurückgeführt werden. In diesem Verfahren wird der Boden temporär zu Abfall, bevor er recycelt wird.
Alternativ besteht die Möglichkeit, den Aushub direkt am Ursprungsort gemäß den Anforderungen des § 2 Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) und des § 12 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) nach den Vorgaben der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau (ZTV E-StB:2009) wieder einzubauen. Dieses Vorgehen verhindert, dass der Boden die Eigenschaften von Abfall annimmt und wird als Wiederverwendung klassifiziert.
Die Zwischenlagerung und Umlagerung des Bodens, sowie dessen Aufbereitung auf anderen Grundstücken, sind dabei unter der Bedingung möglich, dass das Material der Baumaßnahme jederzeit eindeutig zugeordnet werden kann. Durch diese Praxis wird die Wiederverwendung als Gesteinskörnung für Flüssigböden ermöglicht, solange keine schädigenden Bodenveränderungen zu erwarten sind.
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Reduktion von CO2 und Transportkosten durch lokale Wiederverwertung
Der Einsatz von Flüssigboden trägt wesentlich zur Effizienzsteigerung auf Baustellen bei, indem er den Bedarf an externen Schüttgütern und den Transport von Erdaushub erheblich reduziert. Diese Praxis führt nicht nur zu einer erheblichen Kostenersparnis, sondern verbessert auch die CO2-Bilanz der Bauprojekte.
Indem Bodenaushub direkt vor Ort in Flüssigboden umgewandelt und wiederverwendet wird, entfallen die Notwendigkeit und die Kosten für den Transport von neuem Material zur Baustelle sowie für die Entsorgung des Aushubs. Dies reduziert sowohl die CO2-Emissionen, die mit dem Transport verbunden sind, als auch die Umweltbelastung durch den Abbau und Transport neuer Rohstoffe.
Die Strategie, Bodenaushub zu behalten und als hochwertigen Baustoff wiederzuverwenden, stärkt zudem die Kreislaufwirtschaft und unterstützt die Nachhaltigkeitsziele im Bauwesen. Die gleichbleibende oder sogar verbesserte Qualität der Baustoffe, die durch die Verwendung von Flüssigboden gewährleistet wird, bietet zusätzliche Anreize für Bauunternehmen, diese umweltfreundliche Technologie zu adoptieren.
Flüssigboden im Bau: Innovativer Weg zur Nachhaltigkeit
Flüssigboden-Technologie fördert effiziente, umweltfreundliche Bauprozesse und setzt neue Standards für Nachhaltigkeit in der Branche.
Flüssigboden – Ein ungenormter Baustoff setzt Standards
Obwohl Flüssigboden derzeit noch keinen festen Normen unterliegt, hat sich dieser innovative Baustoff bereits einen festen Platz im Bauwesen erobert. Die Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e. V. (BQF) hat Richtlinien für die Qualitätssicherung von ZFSV definiert, die seit 2010 in der Praxis umgesetzt werden. Diese Selbstregulierung durch die Branche stellt sicher, dass trotz der fehlenden Normung ein hoher Qualitätsstandard gewährleistet wird.
Mitglieder der BQF sind nicht nur Hersteller, die Flüssigböden produzieren und auf Baustellen einbringen, sondern auch Unternehmen, die sich mit der Entwicklung von Mischtechnologien für die Herstellung von ZFSV beschäftigen oder Bindemittelsysteme vermarkten. Zudem beteiligen sich Wissenschaftler und akkreditierte Prüfinstitute aktiv an der Weiterentwicklung und Forschung im Bereich des Flüssigbodens.
Die BQF und ihre Mitglieder engagieren sich stark in der Entwicklung eines Regelwerkes mit dem Titel „Hinweise für die Erstellung und Verwendung von zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoffen im Erdbau“ (H ZFSV, FGSV-Nr.: 563), das von der Forschungsgesellschaft Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) unterstützt wird. Dieses Engagement zeigt, wie ernsthaft die Branche an der Schaffung verlässlicher Standards arbeitet und trägt zur Förderung praxisrelevanter Forschungsprojekte bei.